Jeder tut es. Viele sogar mehrmals am Tag. Und seien wir ehrlich: Sie tun es doch auch! Die Rede ist von Convenience-Produkten in der Gastronomie. Einerseits handelt es sich dabei immer noch um ein großes Tabu in der Branche, andererseits ginge es ehrlicherweise gar nicht mehr ohne. Jedenfalls gilt: Convenience ist besser als sein Ruf. Wir sprechen offen und räumen mit alten Vorurteilen auf!
Völlig zu Recht war die braune Flasche mit dem rot-gelben Etikett der kulinarische Gottseibeiuns eines jeden Küchen-Profis, der etwas auf sich hielt. Diese überholte Vorstellung von Convenience hat jedoch mit den heutzutage angebotenen Produkten allenfalls so viele Überschneidungspunkte wie der Dönerladen mit dem Michelin-Restaurant. Fertigprodukte sind besser als ihr Ruf. Ihr Einsatz ist nicht nur gerechtfertigt, sondern oftmals auch unverzichtbar. Doch was genau versteht man unter Convenience? Worüber reden wir hier eigentlich?
Übersetzt man den englischen Begriff „Convenience Food“, ist die deutsche Entsprechung in etwa „bequemes Essen“ – und das wird von Gästen wie Köchen häufig immer noch als Unwort abgetan. Sucht man nach einer einheitlichen Definition, wie Convenience eingeordnet wird, beschreibt der Begriff einfach Zutaten und Nahrungsmittel, welche für die Weiterverarbeitung in der Gastronomie vorbereitet sind. Das klärt aber noch lange nicht alles und die drängendsten Fragen sind: Wo fängt Convenience an? Und wo genau hört es auf? Dies muss jeder Betrieb für sich definieren und den eigenen Wareneinkauf darauf auslegen.
Hilfreich ist eine detaillierte Betrachtung und oftmals finden sich die Zauberwörter bereits auf der Verpackung. Das geschulte Auge sucht dort nämlich nach Hinweisen wie küchenfertig, garfertig, aufbereitungsfertig, regenerierfertig oder verzehrfertig.
Dass insbesondere in den letzten Jahren viele neue und hochwertige Convenience-Produkte wie die sprichwörtlichen Pilze aus dem Boden schießen, hängt mit den allgemeinen Umwälzungen in der Branche zusammen. An erster Stelle steht sicherlich der anhaltende Mangel an gut ausgebildeten und ausgelernten Köchen. Wo jeder Handgriff hinterfragt und optimiert werden muss, helfen praktische Produkte dabei, Zeit zu sparen – und entlasten letztendlich das vorhandene Personal. Insbesondere langwierige Arbeitsschritte wie das Ansetzen von Fonds und die nicht minder aufwändigen Folgeprodukte wie Saucen und Jus kann ein Restaurant der mittleren Kategorie ohne Qualitätseinbußen mit Convenience-Produkten erledigen. Bei der Auswahl der Anbieter ist jedoch Vorsicht geboten: Arbeitet das zugekaufte Produkt mit Geschmacksverstärkern, einer Vielzahl an Bindemitteln oder Haltbarmachern, goutiert dies der Gast meistens nicht.
Eine weitere Vorstellung, die sich in vielen Köpfen hält, ist der geringe ernährungsphysiologische Wert beispielsweise von tiefgekühltem Obst oder Gemüse. Mit gut produzierten Convenience-Produkten lässt sich saisonunabhängig ohne einen wesentlichen Verlust bei Geschmack und Nährwerten hochwertiges Essen zubereiten. Greift man im Winter auf tiefgekühltes Gemüse, Früchte oder Kräuter zurück, haben diese in der Regel den gleichen ernährungsphysiologischen Wert wie ihre saisonalen Gegenstücke, da sie ja direkt nach der Ernte tiefgefroren wurden. Somit bleiben Vitamine, Spurenelemente und Mineralstoffe erhalten. Wer also auch im Winter beispielsweise auf die Antioxidantien in Heidelbeeren, Himbeeren und Erdbeeren nicht verzichten will, findet diese in praktischen Convenience-Produkten. Richtig erstverarbeitet, verpackt und aufbewahrt, sind also Fertigprodukte – aus hygienischer Sicht – der frischen Ware oftmals sogar überlegen. Insbesondere frisches Obst ist leicht verderblich. Wenn es dann womöglich noch zu unerwartet hohen No-Show-Raten kommt, ist der Weg in die Tonne der schlechteste Weg.
Vorreiter in der Anwendung von Fertig- oder Halbfertiggerichten waren immer schon jene gastronomischen Betriebe, deren Gästezahl schwer abschätzbar war oder stark variierte. Wer bei einzelnen Arbeitsschritten auf Convenience-Produkte setzt, kann hier leichter Mengen vorhalten und gegebenenfalls schnell nachproduzieren. Auf der anderen Seite können heutzutage ein unnötig hoher Wareneinsatz und die damit einhergehende Bevorratung schnell für eine kaufmännische Schieflage sorgen. Insgesamt lässt sich also der vielzitierte „Food Waste“ effizient vermieden. Schnell verfügbare Lösungen in gleichbleibender Qualität können hier den Unsicherheitsfaktor in der Kalkulation zumindest reduzieren.
Einigkeit herrscht bei Produzenten, Händlern und Verwendern praktischer Produkte bei einem generellen Trend: Die zeitgeistigen und bei Gästen relevanten Themen machen auch vor Convenience-Produkten nicht halt. Ungebrochen ist der Wunsch nach Zutaten, und in weiterer Folge Gerichten, mit guter Qualität.
Darauf haben viele Hersteller von Fertigprodukten reagiert und punkten mit Labels wie „Aus der Region“, einer Bio- oder MSC-Zertifizierung. Ebenso produzieren viele bewusst nicht mehr industriell perfekt. Nicht zuletzt bei gefüllten Teigwaren – von Tortellini bis Maultaschen –, Fleischgerichten wie Rinderrouladen oder Burgerpatties sowie klassischen Beilagen wie Knödeln oder Kartoffelgerichten ist der Manufakturcharakter im Vormarsch. Solche Produkte bilden eine Basis, die in der eigenen Küche individuell veredelt und angepasst wird. Mit dem Ergebnis, dass sich für den Gast die Frage nach dem Convenience-Grad nicht stellt – und einzig der Genuss den Restaurantbesuch dominiert.
Gleichzeitig bergen mitunter genau diese High-End-Convenience-Produkte den ein oder anderen Fallstrick für die Zukunft der Branche. So gibt es etwa keine gesetzliche Verpflichtung, Fertigprodukte auf der Karte kenntlich zu machen. Ebenso gibt es keine eindeutigen Regelungen von Begrifflichkeiten wie „hausgemacht“. Das macht es für die Gäste nicht gerade transparent. Wer als Gastronom offen damit umgeht und hinter der Qualität der zugekauften Produkte steht, nimmt einer allfälligen Kritik den Wind aus den Segeln.
Im selben Atemzug stellt sich die Frage nach dem zukünftigen Berufsbild. Was passiert mit jungen Menschen, die ihre Lehrzeit in Betrieben mit hohem Convenience-Aufkommen absolvieren? Wie erlernen sie die handwerklichen Fähigkeiten, die nach wie vor bei Lehrabschlussprüfungen abgefragt werden? Auch hier muss jeder Küchenchef seinen Weg finden und seiner Verantwortung als Ausbilder nachkommen.
Kaum eine Branche wandelt sich so schnell wie die Gastronomie, die sich dadurch auch ständig wieder neu erfindet. Darin liegt mit Sicherheit eine ihrer größten Stärken. Die kontinuierliche Weiterentwicklung der Convenience-Produkte wird durch die steigenden Erwartungen der Verbraucher an Qualität und Nachhaltigkeit einerseits sowie durch die erforderliche gastronomische Effizienz andererseits angetrieben. Küchen-Profis müssen sich kontinuierlich anpassen und innovative Lösungen entwickeln, um diesen Anforderungen gerecht zu werden. In Zukunft werden – in enger Zusammenarbeit zwischen Lieferanten und Betrieben – jedenfalls neue, hochwertige und immer bessere Convenience-Produkte in unseren Küchen zu finden sein.