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Heavy Metal Cooking

Landgasthof Wacken

Wer Moritz Skala Anfang August zu einem Gespräch treffen will, braucht viel Geduld und noch mehr Glück. Der Küchenchef im Landgasthof Wacken steht gemeinsam mit seiner 11-köpfigen Küchencrew im Zentrum eines der größten Heavy-Metal-Festivals der Welt, dem „Wacken Open Air“ (WOA).

 

Die Geschichte wurde in den letzten Jahren vielerorts und farbenreich geschildert: Die nicht mal 2.000 Seelen zählende Gemeinde Wacken, gut eine Fahrstunde nördlich von Hamburg, wird jedes Jahr zum Mekka für Heavy-Metal-Fans aus aller Welt. Gut 100.000 Besucher machen den kleinen Ort zum Epizentrum harter Riffs und schwerer Gitarrensounds. Und auch gastronomisch ist diese einzigartige Veranstaltung eine Herausforderung.

 

Von Salzburg über Hamburg nach Wacken

Seit fast drei Jahren ist Moritz „Mo“ Skala Küchenchef in Wackens einzigem Ganzjahres-Restaurant, dem Landgasthof Wacken (LGH Wacken). In Vorarlberg geboren, wuchs er in Salzburg auf und absolvierte dort auch seine Lehre, genauer gesagt in Wals-Siezenheim. In vielen gastronomischen Betrieben in ganz Österreich lernte er das Handwerk von der Pike auf, um schließlich 2014 in Hamburg zu landen. „Eigentlich war ich mit dem Kochen durch“, gesteht der 32-Jährige, „meine Mutter allerdings meinte: ‚Geh doch mal nach Hamburg.‘“ Und wie so oft im Leben hat Mama recht: Schon bei der erste Station als Küchenleiter im „Strand Pauli“ ist die Liebe zur Hansestadt an der Elbe entfacht. „Die kulinarische und gastronomische Vielfalt in Hamburg haben mich neu inspiriert und die Liebe zum Beruf zurückgebracht“, erklärt Skala.

Nach einem Heavy-Metal-Konzert lernt er in einer Kneipe seine Lebensgefährtin kennen, die schon damals für das „Wacken Open Air“ arbeitet. Kurze Zeit später sucht just der Ausgangspunkt dieser weltweit einzigartigen Veranstaltung einen Küchenchef. „Hier im Landgasthof Wacken, genau an diesem Tresen, beschlossen 1990 der damalige Barkeeper Thomas Jensen und sein Freund Holger Hübner, ein Metal-Festival zu veranstalten.“

 
 

Welcher Aufwand für den Gastrobetrieb hinter so einem Festival steht, lässt sich auch an den nackten Zahlen ablesen. Allein am Mittwoch, dem Tag vor der offiziellen Eröffnung, verkauft der Landgasthof Wacken 3.000 Liter Bier. An den Tagen vor und während des Festivals können es bis zu 200 Frühstücke und über 1.000 Essen am Tag werden, das Catering für die Aufbaumannschaften nicht dazugerechnet.

 
 

Eine zusätzliche Herausforderung sind die sieben Konzerte pro Tag auf der hauseigenen „LGH Club Stage“-Bühne . Hier sorgen Mo und sein Team für die Verpflegung der Künstler und deren Crews. Und Flexibilität ist oberstes Gebot. „Gerade habe ich erfahren, dass der nächste Act schon im Haus ist und das drei Stunden zu früh,“ berichtet der Küchenchef von der aktuellen Herausforderung. Heute Morgen kam die E-Mail mit besonderen Speise- und Getränkewünschen. Im Anschluss fuhr Skala dann mehrere Stunden zu verschiedensten Händlern, um eine spezielle Sorte Cider zu bekommen. Dass insbesondere auch harte Jungs und Mädels auf Ernährung achten, zeigen die Wünsche der Band nach veganen Gerichten.

 
 

Festivalverpfleger und gastronomischer Nahversorger

Wer während des WOA den Landgasthof Wacken betritt, dem sticht eine gewisse Diskrepanz zwischen Einrichtung und Gästen ins Auge. Aufgeräumt sauber, mit hellen Möbeln und dem Charme geschmackvollen Retrodesigns will das Interieur nur bedingt zu all dem Schwarz, dem Leder und den Tattoos der gemütlich genießenden Metal-Heads passen. „Wir sind natürlich eng mit dem Festival und seinen Besuchern verbunden,“ erläutert der Küchenprofi, der mit seinem Vollbart und den kunstvoll tätowierten Armen aus der Schar der Festival-Besucher nicht heraussticht. „Doch wenn kein Festival stattfindet, sind wir ‚gastronomischer Nahversorger‘ und erste Anlaufstelle für die Einwohner und Vereine.“

So lebt der LGH Wacken rund ums Jahr von Hochzeiten, Taufen sowie Geburtstags-, Weihnachts- und Firmenfeiern. Platz genug findet sich in den vielen liebevoll eingerichteten Gasträumen sowie im gepflegten und schattigen Gastgarten. Und gänzlich untreu wird man den peitschenden Rhythmen nie: Jedes erste Wochenende im Monat ist „Wacken Wochenende“ mit Liveveranstaltungen, Konzerten oder Panels rund um die dunkel-laute Welt des Metal.

Und gerade bei dieser Klientel punktet der Salzburger mit seiner Erfahrung und der typisch österreichischen Küche. „Unser echtes Wiener Kalbsschnitzel wird sehr gut angenommen, ebenso das typische Gulasch mit Semmelknödeln.“ Vor seiner Zeit war der aktuelle Wareneinkauf bei regionalen Produzenten oder einem Metzger, der beispielsweise die Burger-Pattys eigens für Moritz Skala herstellt, nicht selbstverständlich.

 

Das Ziel: Lehrlinge und Jungköche fördern

Seinen beiden Lehrlingen in der Küche versucht der Herr am Herd das hohe Niveau und die anspruchsvollen Kochtechniken seiner Ausbildung weiterzugeben. Gleichzeitig verzichtet er bewusst auf die negativen Erfahrungen seiner Lehrzeit. „Schreien oder ein aggressiver Ton von oben herab haben in meiner Küche keinen Platz“, zieht er wortwörtlich die Lehren aus seiner Lehre. „Wir schreiben beispielsweise auch die Karte zusammen im Team, denn meine Jungköche oder Lehrlinge haben großartige Ideen und eine besondere Motivation, diese dann auch umzusetzen.“

Eine anständige und faire Bezahlung sei eine Selbstverständlichkeit, allerdings sehe er keinen Vorteil darin, Mitarbeiter „mit Geldbündeln zu bewerfen“. Vielmehr machte er in seinem Team die Erfahrung, dass zugesicherte Urlaube und Freizeitvereinbarungen, die eingehalten werden, den Mitarbeitern wichtiger sind und die Zufriedenheit deutlich steigern.

 

Überhaupt ist der vielgereiste Metal-Koch überzeugt, die in letzter Zeit so heiß diskutierten Themen wie Fachkräftemangel und fehlendes Interesse an Berufen in der Gastronomie könne nur seine Generation angehen und verbessern: „Wir haben es in der Hand, die Leidenschaft für den Kochberuf bei den jungen Menschen zu entfachen. Und auch die Vorteile liegen auf der Hand.“ In welchem Beruf etwa stünden einem nach drei Jahren Lehre sämtliche Türen offen, weltweite Jobangebote inklusive? „Tatsächlich habe ich mich nie um einen Job im klassischen Sinne beworben.“ Der Arbeitsvertrag für den ersten Job in Hamburg kam nach einem halbstündigen Gespräch auf Skype, weil gute Köche eine Leidenschaft versprühen und gute Küchenchefs diese Leidenschaft erkennen würden.