Kochen ohne Gewürze und Kräuter ist schlicht undenkbar. Als facettenreiche Zauberzutaten sorgen sie aber nicht nur für den perfekten Geschmack. Durch die geballte Kraft ihrer Inhaltsstoffe transportieren Kräuter und Gewürze einen wesentlichen Mehrwert in unsere Ernährung.
Dass Koch sein Traumberuf ist, war Jens Vaassen schon früh klar. Die Lehre absolvierte er im Schwäbischen und erlernte dort das notwendige Handwerkszeug. Bunt gemischt waren die weiteren Stationen in ganz Deutschland, von der Betriebsküche bis zum Vorstandskoch. „Das sind die Jahre, in denen wir Profiköche lernen und uns ein Netzwerk in der Branche aufbauen“, blickt der 53-Jährige zurück. Und aus genau diesem Netzwerk kam eines Tages ein spannender Anruf: Ob er jemanden wisse, der sich mit „gesundem Essen“ auskenne? „Ich hatte mich damals schon intensiv mit ayurvedischer und ketogener Ernährung sowie Paleo-Konzepten beschäftigt. Deshalb sagte ich sofort: ‚Ja, ich!‘“ Mittlerweile bekocht er in seiner sechsten Spielsaison die Profimannschaft des SV Werder Bremen und hat den Schritt noch nie bereut. „Ich bin der erste hauptamtliche Koch beim Verein. Vorher hatte das immer ein Caterer gemacht.“
Als er seine Stelle antrat, gab es gerade mal acht Mannschaftsköche in den drei höchsten deutschen Spielklassen. Mittlerweile hat sich die Zahl verdoppelt. Im internationalen Vergleich immer noch wenig, bedenkt man, wie wichtig das Thema Ernährung im Spitzensport ist. Fußball-Vorreiter ist einmal mehr die englische Premier League. Hier kümmert sich etwa beim FC Liverpool die Deutsche Mona Nemmer als „Head of Nutrition“ mit einem über 20-köpfigen Küchenteam um das Wohlergehen der Mannschaft.
Die überschaubare Zahl hierzulande hat auch Vorteile. Der Austausch der Mannschaftsköche der Bundeliga ist intensiv, man kennt sich. „Wir haben eine WhatsApp-Gruppe Bundesligaköche‘“, lacht Jens Vaassen. Außerdem trifft man sich bei gemeinsamen DFB-Lehrgängen und hilft sich, wenn man im jeweils anderen Stadion zu Gast ist.
Der Küchenprofi versorgt mit seinem Souschef und zwei Küchenhilfen die SV Werder Bundesligamannschaften der Herren und Frauen sowie das Jugendinternat mit rund 24 Nachwuchssportlern im Alter von 13 bis 17 Jahren. Mit dem Trainer- und Betreuerteam ergibt das rund 40 Essen pro Mahlzeit.
Der Startschuss fällt täglich um 07:30 Uhr im Trainingszentrum in unmittelbarer Nähe zum wohninvest Weserstadion. Bis 10:00 Uhr wird Frühstück für all jene angeboten, die vor dem Vormittagstraining noch Kraft tanken wollen. Zur Auswahl stehen Porridge, Pancakes, Eierspeisen, Käse und selbstgebackenes Brot. Herkömmliche Wurst sucht man hier vergeblich. „Wir haben Schweinefleisch gänzlich gestrichen, da es wahnsinnig entzündungsfördernd wirkt.“ Mit einem befreundeten Metzger entwickelte der Küchenchef eine Rinderwurst mit weniger Fett und ohne Zusatzstoffe. Nach dem Training strömt die Mannschaft zum gemeinsamen Mittagessen. Jeden Tag stehen zwei Gerichte zur Auswahl, neben Fisch oder Geflügel auch immer eine vegetarische oder vegane Variante. Setzt der Trainer ein zweites Training am Nachmittag an, wird im Anschluss ein To-go-Gericht angeboten, das die Spieler mit nach Hause nehmen können.
An Spieltagen wird es noch intensiver: „Die beiden wichtigsten Mahlzeiten sind vor und nach dem Spiel.“ So gibt es Anfang der Woche wenig Kohlenhydrate, zum Wochenende hin immer mehr. Vor dem Spiel wird nochmal kräftig geladen: „Ein Spieler benötigt dann bis zu 8 Gramm Kohlenhydrate pro Kilogramm Körpergewicht. Bei einem gut trainierten Spieler mit 100 Kilo Gewicht sind das dann bis zu 800 Gramm Kohlenhydrate – das ist schon eine Nummer!“ Die Küchencrew sorgt dafür, dass die Spieler dies erreichen und sich trotzdem wohlfühlen.
Mit Ausnahme des trainingsfreien Tages verpflegt Jens Vaassen die Werder-Kicker also immer. Darin steckt auch die größte Herausforderung seines Jobs, die er mit allen Köchen von Profivereinen teilt: „Ich vergleiche meine Arbeit gerne mit einem Hotel, das 365 Tage lang die gleichen Gäste hat. Trotzdem will ich mit Vielfalt begeistern und eine Abwechslung reinbringen.“ Dieser Anspruch trifft aber andererseits auf begrenzte Möglichkeiten.
Diese Grenzen hat Jens Vaassen, gemeinsam mit Ernährungsberatern und Athletiktrainern, selbst gezogen. Gänzlich verbannt ist neben Schweinefleisch auch raffinierter Zucker. Gesüßt wird mit Früchten oder Ahornsirup. Naschkatzen bekommen beispielsweise ein Mousse au Chocolat aus Banane, Avocado und echtem Kakao. Ebenso wichtig sind hochwertige Fette wie Butterschmalz und Kokosfett, Salate werden mit Oliven- oder Kürbiskernöl mariniert. Täglich gibt es Himbeeren, Blaubeeren oder Brombeeren, deren antioxidative Wirkung Jens Vaassen nicht nur Sportlern empfiehlt.
Unverzichtbar im ernährungsphysiologischen Konzept des Profikochs sind außerdem Gewürze. Hier gerät er richtig ins Schwärmen: „Ich liebe Kurkuma. Immer in Verbindung mit hochwertigem Fett ist sie ein natürliches Antibiotikum. Oder Zimt: Der kommt bei mir auch in die Tomatensauce – einfach genial!“ Ob in den Gerichten oder ergänzend zum Nachwürzen – für die Spieler hat Jens Vaassen seine Fixstarter: Zitronen-Pfeffer, Ingwer und Chili. „Wer scharf essen kann, ist gesegnet: Chili ist der Entzündungshemmer schlechthin!“ Gewürzt und gesalzen wird kräftig, allein schon aufgrund des hohen Flüssigkeitsverlustes bei Training und Spiel. Die Gerichte unterstützen, den Mineralhaushalt wieder auszugleichen.
Gegenüber „seinen Jungs“ setzt Vaassen auf Aufklärung statt auf Zwang. Wenn er den Athleten erklärt: „Weizen macht euch müde“, ist ihm die Aufmerksamkeit sicher. In weiterer Folge verstehen die Spieler, warum das Speisenangebot fast ausschließlich glutenfrei ist. Gespräche führen, Wissen schaffen und überzeugen lautet seine Devise.
Bewusst vermeidet der Küchenchef den Begriff „gesundes“ Essen, für ihn gibt es nur „wertiges“ Essen. Das beinhaltet den für Jens so wichtigen Aspekt der Emotionen, die Essen auslösen kann. Und er bringt ein reales Beispiel: „Ein Kaiserschmarrn nach einer herben Niederlage kann sehr hochwertig sein, denn es ist das Erste, was dich wieder aufbaut.“ Und manchmal müssen die Pläne noch in der Halbzeit geändert werden. „Zu Hause gegen Mainz haben mein Souschef und ich in der Pause umdisponiert. Statt der Burger, die als Belohnung gedacht waren, gab es Rindergeschnetzeltes mit Reis. Als Dessert dann Kaiserschmarrn.“ Ein liebevoll zubereitetes Gericht kann auch sagen: „Kopf hoch, wird schon wieder!“
Wie aber sehen die Burger aus, mit denen er die Mannschaft belohnt hätte? „Wir verändern Kleinigkeiten: Dinkelbrötchen, grasgefüttertes Rindfleisch, selbstgemachte Sauce ohne Zucker, Avocadoscheiben, Granatapfelkerne, ein paar selbstgemachte Röstzwiebeln – und fertig ist ein wertiger Burger. Statt Pommes gibt’s kleine geröstete Rosmarinkartoffeln in der Schale und gut isses“, erklärt der Küchenchef seinen Ansatz. In Absprache mit dem Athletiktrainer gibt es aber auch immer wieder mal sogenannte „Cheat Days“.
Und was macht eigentlich der Mannschaftskoch bei Auswärtsspielen? Die Jungs von der Couch aus anfeuern? Mitnichten, denn oft bitten ihn Trainer und Mannschaft mitzufahren und auch in der Fremde zu kochen. „Wenn ich dabei bin, kommt dann morgens im Hotel schon die Frage: ‚Jens, hast du den Porridge fertig?‘“ Essen kann eben auch Heimat sein.
Da die Gegebenheiten auswärts immer anders sind, kommt ihm die jahrelange Erfahrung zugute: Was geht, wird am heimischen Herd vorbereitet. Dann belädt Jens seinen Bulli und fährt der Mannschaft voraus. Vor Ort muss – je nach Stadion und Situation – improvisiert werden. „Während der Pandemie durften nur wenige Mitarbeiter in die Stadien. Da habe ich dann auf Schalke am Parkplatz und auf Bierbänken meine Station aufgebaut und mein Essen angerichtet“, erinnert sich der Kochprofi. Die Jungs hätten es nach dem Spiel abgeholt, rein in den Bus und Abfahrt. Beim Pokalspiel gegen einen Drittligisten verlegt er Verlängerungskabel, organisiert sich Tische und versucht dann, am Gang neben der Kabine zu zaubern. Selbst wenn Jens nicht dabei ist, kümmert er sich vorab um das Wohl seiner Grün-Weißen, telefoniert mit dem Küchenchef des Gastgebervereins oder des Hotels, übermittelt Speisepläne und bespricht die Abläufe.
Köstliche Rezepte, hochwertige Produkte – also völlig freie Hand beim Wareneinsatz? „Das ist ein Trugschluss. Auch ich habe ein Budget und einen Rahmen und kaufe nicht nur Kobe-Rind“, stellt Vaassen klar. „Man kann richtig gute Gerichte mit wenig Wareneinsatz machen, besonders im vegetarischen oder veganen Bereich.“ Sein lokaler Bio-Großhändler liefere während der Erntesaison oft günstigere Ware als konventionelles Obst oder Gemüse. Jens Vaassen bekennt sich auch zu regionalen Gemüsesorten, die lange Zeit aus der Mode waren, wie Kohl, Steckrüben oder Bunte Beete: „Regionale Produkte, geiler Geschmack und wahnsinnig gesund!“ Die täglichen Beeren sind außerhalb der Saison TK-Ware und haben denselben Effekt.
Leidenschaft und Freude am Kochen zeichnen Jens Vaassen aus. Ob im Profisport oder im Gesamtblick auf die Branche, bei einem ist sich der Werder-Küchenchef sicher: „Gutes und ehrliches Kochen ist auf dem Vormarsch!“